Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt?

Das Gesetz geht davon aus, dass Sie Ihren Angehörigen Ihr Vermögen hinterlassen wollen. Wenn Sie also kein Testament geschrieben haben, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Wer erbt und wie viel dieser Mensch bekommt, richtet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis. Grundsätzlich gilt: Nähere Verwandte schließen dabei grundsätzlich die weiter entfernten Verwandten von der Erbfolge aus.

Das gesetzliche Erbrecht der Verwandten richtet sich nach dem sogenannten Ordnungssystem. Danach werden Verwandte in Ordnungen aufgeteilt:
1. Ordnung
Kinder und Enkelkinder. Innerhalb der ersten Ordnung wird nach Stämmen vererbt.
2. Ordnung
Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen, auch geschiedene Elternteile. Innerhalb der zweiten Ordnung wird nach Linien vererbt.
3. Ordnung
Großeltern, Onkel und Tanten, Cousinen und Cousins. Innerhalb der dritten Ordnung wird nach Linien vererbt.
4. Ordnung
Urgroßeltern, Großtanten und -onkel, Cousinen und Cousins zweiten Grades. Ab der vierten Ordnung erben nur noch diejenigen, die mit der vererbenden Person am nächsten verwandt ist. Gleich nahe Verwandte erben zu gleichen Teilen.

Erst dann, wenn überhaupt kein Familienmitglied ermittelt werden kann, wird der Staat Erbe.

Sonderstatus Partnerschaft
Haben Partner*innen, die standesamtlich verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft leben, hinsichtlich des Güterstandes keine gesonderten Vereinbarungen (durch einen Ehe- oder Lebenspartnerschaftsvertrag) getroffen, gilt die Zugewinngemeinschaft. In diesem Fall erbt die überlebende Person:

  • 1/2 des Nachlasses, wenn es Kinder oder Enkelkinder der verstorbenen Person gibt.
  • 3/4 des Nachlasses, wenn Eltern der verstorbenen Person, deren Kinder, also Geschwister oder aber Großeltern leben (und keine eigenen Kinder oder Enkelkinder haben).
  • den gesamten Nachlass, wenn weder Kinder, Eltern oder deren Kinder noch Großeltern vorhanden sind.

Auch wenn Sie ein Testament errichtet haben, steht bestimmten Personen der sogenannte Pflichtteil zu. Zu diesen Personen gehören Kinder und gegebenenfalls deren Nachkommen sowie Eltern. Ein Pflichtteil steht auch dem Menschen zu, mit dem die verstorbene Person verheiratet oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft war.

Das Ordnungssystem der gesetzlichen Erbfolge im Detail

1. Ordnung

Erbberechtigte erster Ordnung sind immer die Nachkommen der vererbenden Person. Lebt zum Zeitpunkt des Todesfalls ein Kind, erbt es neben dem Menschen, der mit der verstorbenen Person verheiratet oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft war. Leben mehrere Kinder, teilen diese das ihnen zustehende Erbteil unter sich auf.

Sind die Kinder der vererbenden Person bereits verstorben, treten an ihrer Stelle die Enkelkinder als Erbende auf. Bei mehreren Enkelkindern erben diese wiederum anteilig. Ist ein Kind von mehreren Geschwistern bereits verstorben, geht der Erbanspruch dieses Kindes auf die Enkelkinder über. 

Hans-Jürgen Ullrich, Witwer und Vater von drei Kindern, stirbt mit 91 Jahren. Seine erste Tochter, 70 Jahre, erhält ein Drittel des Nachlasses, ihre Kinder und Enkel bekommen nichts. Das zweite Kind, ein Sohn, ist bereits mit 60 Jahren gestorben, er hat aber vier Kinder, die alle noch leben. Sie erhalten zu gleichen Teilen sein Drittel des Nachlasses. Das dritte Kind des Erblassers hat zu Lebzeiten eine uneheliche Tochter bekommen, ist selbst jedoch bereits verstorben. Diese uneheliche Tochter erhält ein Drittel des Erbes.

2. Ordnung

Erbberechtigte zweiter Ordnung sind immer die Vorfahren der vererbenden Person und deren Nachkommen. Hatte der*die Verstorbene keine Kinder oder sind diese schon vorher gestorben, ohne selbst Kinder zu haben, kommen die Erben zweiter Ordnung zum Zuge. Das sind die Eltern und deren Nachkommen, also Geschwister der verstorbenen Person.

Horst Meier war nicht verheiratet, hatte keine Kinder und von seinen Eltern lebt nur noch der Vater. Zudem hatte der Verstorbene einen Bruder und eine bereits gestorbene Schwester. Außerdem einen Halbbruder aus der zweiten Ehe seiner bereits verstorbenen Mutter. Seine verstorbene Schwester hatte zwei Kinder.
Da keine Erb*innen erster Ordnung vorhanden ist – der Erblasser hatte keine Kinder – erben die Erbenden zweiter Ordnung. Dazu gehören die Eltern und die Geschwister. Weil der Vater noch lebt, erhält er die Hälfte des Nachlasses. Da die Mutter nicht mehr lebt, treten ihre Nachfahren an ihre Stelle. Das sind der Bruder, die Schwester und der Halbbruder des Verstorbenen. Die drei Kinder der Mutter erben ihre Hälfte des Nachlasses. Der Halbbruder und der Bruder erben je 1/6 und anstelle der verstorbenen Schwester erben der Neffe und die Nichte je 1/12. Nach dem Gesetz entsteht in diesem Beispiel eine Erbengemeinschaft mit fünf erbenden Personen.

3. Ordnung

Es gibt selten Erbfälle, bei denen sehr weit entfernte Verwandte erben. Das ist möglich, wenn der verstorbene Mensch keine eigenen Kinder oder Enkel hinterlässt und auch die Eltern bereits verstorben sind. Zudem leben weder Geschwister noch Nichten oder Neffen. Erst dann kommen die sogenannten Erbenden dritter Ordnung zum Zuge. Die Erbschaft fällt den Großeltern und deren Nachkommen zu. Ist ein Großelternteil bereits verstorben, treten die Nachkommen, also die Tanten und Onkel der vererbenden Person und deren Nachkommen, die Cousins und Cousinen, an die Stelle des verstorbenen Großelternteils.

Die alleinstehende Ärztin Ursula Schmidt stirbt im Alter von 85 Jahren und hinterlässt eine Immobilie, Bargeld und eine Kunstsammlung. Das Nachlassgericht findet zunächst keine Erb*innen und forscht in der Familiengeschichte. Erst unter den gesetzlichen Erbenden dritter Ordnung wird das Gericht fündig: Die Großeltern hatten eine zweite Tochter, die wiederum zwei Töchter hatte. Diese entfernten Verwandten sind jedoch schon verstorben, allerdings hat eine dieser Töchter einen Sohn. Dieser 29-jährige Mann wird nun alleiniger Erbe der verstorbenen Ärztin, auch wenn sie diesen nicht kannte und von seiner Existenz nichts wusste. Erst wenn überhaupt kein Familienmitglied ermittelt werden kann, wird der Staat Erbe.

Sonderstatus Partnerschaft

Menschen, die standesamtlich verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, haben einen zusätzlichen Erbanspruch. Gibt es erbberechtigte Nachkommen der verstorbenen Person, steht dem*der Überlebenden in der Regel ein Viertel des Erbes zu. Ohne Nachkommen, aber mit weiteren Angehörigen, ist es die Hälfte. Gibt es Vereinbarungen im Rahmen eines Ehe- oder Lebenspartnerschaftsvertrages, gelten besondere Regeln. Wurden keine Vereinbarungen getroffen, gilt der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, der pauschal mit einem Viertel des Erbes zusätzlich berechnet wird. 

Ohne Ehe- oder Lebenspartnerschaftsvertrag leben Partner*innen in einer Zugewinngemeinschaft. Die überlebende Person erbt neben den Kindern des vererbenden Menschen ein Viertel des Nachlasses. Dabei steht nichtehelichen Kindern dasselbe Erbrecht zu wie ehelichen.

Beispiel 1
Paul stirbt und hinterlässt seine Ehefrau Paula und die zwei Kinder Alma und Henry. Die Eheleute haben keinen Ehevertrag geschlossen und lebten deshalb in einer Zugewinngemeinschaft. Es gibt kein Testament, auch kein gemeinsames Berliner Testament. Paula erbt nach dem Gesetz die Hälfte, Alma und Henry je ein Viertel.

Beispiel 2
Laura und Sarah leben in einer eingetragenen Partnerschaft. Das Paar hat sich ein eigenes Haus gekauft, um für die Familie ein Zuhause zu haben und im Alter keine Miete zahlen zu müssen. Laura kommt bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Das Paar hat keinen Lebenspartnerschaftsvertrag geschlossen und lebte deshalb in einer Zugewinngemeinschaft. 

Die überlebende Person erhält drei Viertel des Erbes. Dies kommt zustande, weil sie den allgemeinen Erbteil – also die Hälfte – erhält, da es noch Verwandte der zweiten Ordnung – Lauras Eltern. Damit der während der Partnerschaft erzielte Zugewinn der verstorbenen Person zugunsten von Sarah berücksichtigt werden kann, wird deren Erbteil um ein weiteres Viertel pauschal erhöht. Das ist die sogenannte „erbrechtliche“ Lösung. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der während der Partnerschaft erzielte Zugewinn auch im Todesfall der überlebenden Person zusteht. 

Der danach verbleibende Erbteil wird auf die erbberechtigten Verwandten der Verstorbenen aufgeteilt: die Eltern erhalten in diesem Fall das verbleibende Viertel. Sarah muss das Haus verkaufen, um Lauras Eltern den rechtmäßigen Anteil an dem Erbe auszuzahlen.

Habe ich einen Einfluss auf die gesetzliche Erbfolge?

Wenn Sie selbst bestimmen möchten, wen Sie mit Ihrem Nachlass bedenken wollen, sollten Sie ein Testament errichten. Mit einem Testament können Sie die gesetzliche Erbfolge beliebig abändern. Dies gilt jedoch nicht für etwaig bestehende Pflichtteilsansprüche.

Wie verfasse ich mein Testament?

Ob notarielles oder handschriftliches Testament: Sie haben mehrere Möglichkeiten, Ihr Testament zu gestalten. Wir haben die wichtigsten Informationen, Textbausteinen und Beispiele für Sie zusammengestellt.

So gelingt Ihr Testament

Die häufigsten Fragen

Brauche ich überhaupt ein Testament? Was ist der Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis? Wann sollte ich ein Testament schreiben? Diese und weitere Fragen haben wir für Sie beantwortet und zusammengestellt

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Glossar

Berliner Testament, Erbengemeinschaft, Pflichtteil, Zugewinngemeinschaft: Mit unserem Glossar wissen Sie was hinter diesen Begriffen steckt.

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